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DIN 2304: Erhöhen Sie Ihre Prozesssicherheit

Im März 2016 trat die DIN 2304 in Kraft. Diese Norm ist an die ISO-9001-Norm für Qualitätsmanagementsysteme gekoppelt und gilt für alle Industriebranchen, in denen Klebeverbindungen zur Anwendung kommen. Die Norm ist mit der bekannten DIN 6701 vergleichbar, die sich speziell auf den Schienenfahrzeugbereich bezieht. Das Ziel der DIN 2304 besteht darin, die Qualität von Klebeprozessen zu optimieren: weniger Fehler, Einsparung von Kosten und strukturelle Erhöhung des Vertrauens und Verbesserung des Images des Klebens als Verbindungstechniek. Wir haben auf dieser Seite Informationen über die DIN 2304 für Sie zusammengestellt, darunter ein Interview mit Prof. Dr. Andreas Groß, Mitglied der DIN-Arbeitsgruppe DIN 2304, sowie verschiedene Wissensdokumente zu diesem aktuellen Thema.

 

Prof. Dr. Andreas Groß

"Für mich wird Kleben die Verbindungstechnik Nr. 1 im 21. Jahrhundert. Nur, die Voraussetzung ist: richtig angewendet."

Professor Dr. Andreas Groß leitet den Bereich Weiterbildung und Technologietransfer des Fraunhofer IFAM. Im Rahmen seiner Tätigkeit auf dem Gebiet der Qualitätssicherung für Klebtechnik ist er seit 2001 Vorsitzender der DIN/FSF-Arbeitsgruppe „DIN 6701" und der Arbeitsgruppe „Kleben und DIN 6701". Er ist außerdem Convenor der Arbeitsgruppe 52 „Adhesive Bonding" des CEN/TC 256 / SC 2 „Railway Application", Mitglied der DIN-Arbeitsgruppe für „DIN 2304" sowie Mitglied von ISO TC 11 „Kunststoffe"/Arbeitsgruppe 5 „Klebstoffe".

 

1. Was ist das Ziel der DIN 2304?

 

Ganz einfach gesagt: Die Anwendung der Klebtechnik – noch - sicherer zu machen! Wobei ich hiermit auf keinen Fall sagen will, dass das Kleben unsicher ist. Richtig angewendet, ist es eine fantastische Verbindungstechnik mit noch erheblichem Entwicklungspotenzial für das 21. Jahrhundert. Für mich wird Kleben die Verbindungstechnik Nr. 1 im 21. Jahrhundert. Wie das Schweißen im 20. Jahrhundert und das Nieten im 19. Jahrhundert. Nur, die Voraussetzung ist: „richtig angewendet". Genau dafür schreibt die DIN 2304 den „Stand der Technik" für die fachgerechte Organisation klebtechnischer Prozesse im Anwenderunternehmen fest.


2. Was meinen Sie mit „richtig angewendet"?

 

Nun, ich will mal lieber nicht zu weit ausholen. Nur so viel: Wie das Schweißen und auch das Nieten ist Kleben nach ISO 9001 ein sogenannter „spezieller Prozess"….

 

3. Und was meinen Sie mit „spezieller Prozess"?

 

…."spezielle Prozesse" sind Fertigungsschritte, Produkteeinheiten oder Produkte, die man zerstörungsfrei nicht einhundertprozentig prüfen kann. Ich kann also nicht verlässlich voraussagen, wie lange das Produkt hält. Eine Schweißverbindung z.B. ist ein „spezieller Prozess", eben weil es keine einhundertprozentige zerstörungsfreie Prüfmethodik gibt, die mir wissenschaftlich begründet sagt, wie lange die Schweißverbindung mit welcher Restfestigkeit hält. Und wenn das Schweißen schon ein „spezieller Prozess" ist, dann das Kleben erst recht.

 

4. Woran liegt das?

 

Ganz einfach: Die Zahl der qualitätsbeeinflussenden Faktoren ist bei der Herstellung einer Klebverbindung einfach größer als beim Schweißen. Und außerdem: Jeder qualitätsbeeinflussende Faktor beim Kleben ist sensitiver in seiner Auswirkung auf die Qualität der Verbindung. Hinzu kommt, dass die Klebstoffe, die wir einsetzen, Kunststoffe sind. Kunststoffe unterliegen Feuchtigkeitseinflüssen. Und bei Klebstoffen sind dadurch Adhäsion und Kohäsion betroffen.

5. Zurück zur Frage: Was meinen Sie mit „richtig angewendet"?


Der Anwender – egal wo - muss die Klebtechnik letztendlich ganzheitlich betrachten. Von der Idee bis zum fertigen Produkt. Mit allen Facetten. Auch inklusive Instandhaltung und Reparatur. Der Klebstoff alleine ist es nämlich nicht. Außerdem: Die modernen Industrieklebstoffe sind heutzutage Hochleistungswerkstoffe! Und als solche sind sie auch zu betrachten und natürlich auch einzusetzen.


6. „Von einem objektiven Standpunkt aus sind etwa 90% der Klebfehler keine Klebstofffehler, sondern Klebstoffauftragsfehler."
 

Genau! Im Fraunhofer IFAM untersuchen wir neben unseren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auch klebtechnische Schadensfälle. Aus dieser jahrzehntelangen Erfahrung heraus kann ich das so sagen. Und die 90 % sind konservativ geschätzt. Ich arbeite jetzt fast 35 Jahre in der Klebtechnik. Glauben Sie mir, wenn ich einen Satz nicht mehr hören kann, dann den: „Das Problem wird vom Klebstoff verursacht"!

 

7. Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, um das Wissen über die Klebtechnik zu erweitern?


Wollen wir noch einmal zu den Schweißern hinüberschauen? Die haben seit über 50 Jahren ein hierarchie-übergreifendes, international anerkanntes, produktneutrales Personalqualifizierungssystem für ihre Technik. Vom Schweißer über den Schweißfachmann bis zum Schweißfachingenieur. Ein Schweißer weiß, was er tut. Für das Kleben gibt es seit 25 Jahren ein direkt vergleichbares System: hierarchie-übergreifend von der ausführenden Ebene über die Ebene mit (An-)Leitungsfunktion bis zur technischen Entscheidungsebene, international anerkannte Abschlüsse nach ISO 17024, branchen– und produktneutral usw. Zugrunde liegen europaweit harmonisierte Richtlinien: European Adhesive Bonder – EAB, European Adhesive Specialist – EAS, European Adhesive Engineer – EAE (www.kleben-in-bremen.de / www.bremen-bonding.com). Diese Richtlinien schreiben die Zulassungsvoraussetzungen, die Dauer der Weiterbildungen und die Prüfungsumfänge fest. Ohne offizielle Prüfung kein Abschlussdokument.

8. Was ist Ihrer Meinung nach der Einfluss der DIN 2304 auf die Nutzfahrzeugindustrie?


Gute Frage! Ich nenne dazu vier Punkte:

1. Die DIN 2304 hilft bei rechtlichen Auseinandersetzungen im Schadensfall. Wie ich eingangs schon sagte, die DIN 2304 schreibt den „Stand der Technik" für die fachgerechte Organisation klebtechnischer Prozesse fest. D. h., sie konkretisiert für die Klebtechnik das vorhandene Qualitätsmanagementsystem, z. B. das nach ISO 9001. Juristisch bindend ist das europäische Produktsicherheitsgesetz. Es verlangt, dass nach dem „Stand der Technik" gefertigt wird. Kommt es jetzt zu einem klebtechnischen Schadensfall, der vor Gericht geklärt werden muss, ist die erste Frage: „Hat das Anwenderunternehmen nach dem Stand der Technik gearbeitet?" Die zweite Frage ist dann: „Wo ist der Stand der Technik für die Klebtechnik dokumentiert?" Und glauben Sie mir, der Schritt zur DIN 2304 ist dann ein äußerst kurzer. Für Anwenderunternehmen, die dann zugeben müssen, nicht nach DIN 2304 gefertigt zu haben, wird die Luft dünn. Sehr dünn sogar! Von daher glaube ich, dass in der Nutzfahrzeugindustrie ein Bewusstseinswandel eintritt. Die Klebtechnik wird in Zukunft mit ganz anderen Augen gesehen, nämlich als Hochleistungstechnologie. Und so wird sie dann auch behandelt. Und qualifiziertes Personal, das weiß, was es tut, wird eingesetzt.

2. Die DIN 2304 reduziert Kosten. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Zahl der Klebfehler bei konsequenter Umsetzung der Norm reduziert. Dadurch werden Kosten reduziert.

3. Durch die Umsetzung der DIN 2304 wird die Qualität gesteigert. Die DIN 2304 kann also sehr wohl als Marketinginstrument verwendet werden.

4. Mit der Umsetzung der DIN 2304 gewinnen Unternehmen das Vertrauen von Auftraggebern und Behörden. Ein Unternehmen, das nach DIN 2304 zertifiziert ist, stellt dar, dass es die Klebtechnik ernst nimmt und über die entsprechenden Kompetenzen verfügt.
 

9. Was ist Ihrer Meinung nach die Rolle von Klebstoffherstellern wie SABA bei der Umsetzung der DIN 2304?

 

Die DIN 2304 ist eine reine Anwendernorm! Der Anwender – und nur er! - ist für den Einsatz der Klebstoffe verantwortlich! Punkt! Er kann diese Verantwortung nicht auf andere abschieben. Die Aufgabe des Klebstoffherstellers ist es, die vom Anwenderunternehmen georderten Klebstoffe in der vom Anwender bestellten Spezifikation zu liefern und die jeweils gewünschte Qualität seiner Produkte auch nachzuweisen. Nach Übergabe an den Anwender kann er dann jedoch keine Verantwortung mehr übernehmen, da er im Anwenderunternehmen keine Entscheidungsbefugnis über den Umgang mit seinen Produkten mehr hat. Er kann lediglich beraten. Er kann aber nicht mehr entscheiden. Und, der Klebstoffhersteller sollte sich auf keine zweifelhaften juristischen Konstruktionen einlassen, mit der Anwenderunternehmen versuchen könnten, die Verantwortung, die die DIN 2304 eindeutig ihnen zuschreibt, zu umgehen. Die DIN 2304 ist eine Anwendernorm und der Klebstoffanwender ist die für Qualität seiner geklebten Produkte verantwortlich.

10. Sie sprachen die Zertifizierung von Betrieben bereits an. Wie können Unternehmen in der Nutzfahrzeugindustrie nach DIN 2304 zertifiziert werden? Welche Schritte würden Sie empfehlen?


Also, um das noch einmal klar zu sagen: Die DIN 2304 macht nichts anderes, als dass sie ein bereits vorhandenes QMS – z. B. nach ISO 9001 – für die Klebtechnik konkretisiert. Die Betriebe der Nutzfahrzeugindustrie sind überwiegend nach ISO 9001 zertifiziert. Sie können sich in einem ersten Schritt hinsichtlich ihrer Klebprozesse und deren Kompatibilität zur DIN 2304 beraten lassen (www.sicher-kleben.de) und es können sog. Voraudits durchgeführt werden. Wenn diese abgeschlossen sind, folgt der zweite Schritt: Die Zertifizierung durch eine sog. „Third Party", d. h. durch eine nach ISO/IEC 17065 akkreditierte Zertifizierungsstelle (www.tbbcert.de).
Darf ich noch etwas zu Ihrer ersten Frage nach dem Ziel der DIN 2304 ergänzen?...
 

11. Ja, bitte…..


Mit der DIN 2304 werden wir für die Klebtechnik auch einen Imagewandel erreichen. Seien wir mal ehrlich: In weiten Bereichen ist dieses Image – diplomatisch formuliert – noch ausbaufähig. Auch hier sehe ich eine eindeutige Parallele zur Schweißtechnik: Vor gut 100 Jahren war das beim Schweißen genauso. Die Schweißer haben es aber im 20. Jahrhundert geschafft, das Image zu einem sehr positiven zu verwandeln. Wie haben sie das geschafft? Sie haben frühzeitig und konsequent qualitätssichernde Maßnahmen in Normen- und Regelwerken festgeschrieben! Dadurch ist das Vertrauen in diese Technologie gewachsen. Erst bei den Anwendern, später auch in der allgemeinen Wahrnehmung. Also, mit der DIN 2304 machen wir nichts anderes: Es werden vergleichbare Qualitätskriterien festgeschrieben, die bei fachgerechter Umsetzung das Vertrauen in die Klebtechnik weiter steigern und letztlich das allgemeine Image des Klebens in ein positives Image verwandeln werden.


DIN 2304: Erhöhen Sie Ihre Prozesssicherheit